Steuererklärungspflicht in der Insolvenz

Jeder Steuerpflichtige ist im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Dabei bestimmt sich die persönliche Abgabepflicht nach § 149 AO in Verbindung mit den jeweiligen Einzelsteuergesetzen.

Im Insolvenzverfahren geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter/Treuhänder über. Dies hat auch Auswirkungen auf die Steuererklärungspflichten. So bestimmt § 34 Abs. 3 i.V. Abs. 1 AO, dass der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter des Schuldners auch dessen steuerliche Pflichten zu erfüllen hat. Zu diesen stl. Pflichten gehört auch die Abgabe von Steuererklärungen.

Zur genauen Bestimmung der Abgabepflichten muß man jedoch unterscheiden, in welchem Verfahrensabschnitt sich der Schuldner gerade befindet, und um welche Steuerart, bzw. Einkünfte es sich handelt:

1. Insolvenzeröffnungsverfahren

Liegt ein zulässiger Insolvenzantrag vor, verfügt das Insolvenzgericht regelmäßig über Maßnahmen zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse. Dies geschieht meistens durch die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters.

In der Praxis wird hier i.d.R. ein sog. “schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter” bestellt. Dies ist dann der Fall, wenn dem Schuldner vom Gericht kein Verfügungsverbot über sein Vermögen auferlegt wird. Jedoch stehen die Verfügungen des Schuldners unter dem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters.

Dieser “schwache vorläufige Insolvenzverwalter” ist kein Vermögensverwalter i.S. § 34 Abs. 3 AO. Ihn treffen somit auch keine Steuererklärungspflichten. Diese verbleiben vielmehr beim Schuldner. Dieser muß die Erklärungen auch unterschreiben.  Ihm sind etwaige Steuerbescheide bekanntzugeben.

Wird jedoch ein “vorläufiger starker Insolvenzverwalter” bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot schon vor Insolvenzeröffnung auferlegt, so wird der vorläufige IV zum Vermögensverwalter und ist damit auch für die Abgabe der Steuererklärungen zuständig.

2. eröffnetes Insolvenzverfahren

Im eröffneten Insolvenzverwalter ist der Insolvenzverwalter/Treuhänder als Vermögensverwalter auch für die Abgabe der Steuererklärungen verantwortlich. Er hat die Erklärungen zu erstellen und auch eigenhändig zu unterschreiben. Dies gilt nach der Rechtsprechung auch für Zeiträume vor der Insolvenzeröffnung (BFH v. 19.11.2007 – VII B 104/07).

Der Schuldner selbst muss und kann gegenüber dem Finanzamt nicht mehr auftreten. Er ist allerdings verpflichtet, dem Insolvenzverwalter die für die Erstellung der Erklärungen benötigten Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen in geordneter Form vorzulegen. Ein Verstoß gegen diese Mitwirkungspflichten kann zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, BGH v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07.

In der Praxis ergeben sich hier regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Gerade bei kleineren Unternehmensinsolvenzen ist eine Buchführung oftmals nur rudimentär vorhanden. Buchhaltungsunterlagen fehlen entweder ganz, oder sind für längere Zeiträume nur lückenhaft und völlig ungeordnet vorhanden. Diese Umstände entbinden den IV grds. nicht von der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen. Allerdings kann das Finanzamt diese Pflicht regelmäßig nicht mit Zwangsmitteln gegen den IV durchsetzen, weil es von diesem schlechterdings nichts verlangen kann, was diesem nicht möglich ist. Die Folge ist regelmäßig, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO schätzt und die daraus resultierenden Steuerforderungen zur Tabelle anmeldet.

Die steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters reichen gem. § 34 Abs. 3 AO jedoch nur soweit, als seine Vermögensverwaltung insgesamt reicht. Dies ist vor allem in den Fällen relevant, in denen der Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit des Schuldners gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigibt.  In diesem Fall geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wieder auf den Schuldner über. Dadurch treffen ihn auch wieder die steuerlichen Pflichten, insbesondere die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen. Selbiges gilt, wenn der IV ein vermietetes Grundstück aus der Insolvenzmasse freigibt. Bzgl. der steuerpflichtigen Vermietungseinkünfte wird wieder der Schuldner erklärungspflichtig.

Allerdings ist das Steuerverfahrensrecht auf diese Fälle nicht vorbereitet. Insbesondere bei der Einkommensteuer ergeben sich Probleme. Erzielt der Schuldner Einkünfte sowohl im insolvenzbefangenen, als auch im insolvenzfreien Bereich, so werden sowohl das zu versteuernde Einkommen als auch die sich ergebende jährliche Einkommensteuer nur einheitlich ermittelt. In der Praxis erstellt der Insolvenzverwalter hier die Einkommensteuererklärung ohne die insolvenzfreien Einkünfte. Der Schuldner fertigt dann eine Gewinnermittlung  und reicht beim Finanzamt eine “Teilsteuererklärung” ein. Das Finanzamt fügt die beiden Teilerklärungen dann zusammen und erstellt einen Einkommensteuerbescheid. Die sich daraus ergebende einheitliche Steuer ist im Anschluss jedoch wieder in einen insolvenzbefangenen und einen insolvenzfreien Teil aufzusplitten. Soweit die Steuer aus dem insolvenzfreien Vermögen resultiert, ist sie gegen den Schuldner persönlich festzusetzen.

3. Wohlverhaltensperiode

Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters/Treuhänders. Somit gehen die steuerlichen Pflichten wieder vollständig auf den Schuldner über. Dies gilt auch für Zeiträume, die noch das eröffnete Insolvenzverfahren betreffen, bzw. für Zeiträume vor Insolvenzeröffnung.